Kaliningrad 2

Dienstag, 14. Juni, 18 Uhr Zwei Tage `sightseeing` liegen hinter uns. Mein Kopf ist voller Eindrücke. Zuerst einmal, ich finde, Kaliningrad ist ganz sicher einen Besuch wert. Die Stadt ist nicht nur schön, sie hat auch kantige Seiten. Reisen wir nur, um alles in Harmonie und Gefälligkeit zu finden? Kaliningrad ist ein Beispiel dafür, wie Wiederaufbau auch aussehen kann. Lange Zeit dachten die Einwohner, das Gebiet ist deutsch, die Deutschen kommen zurück. Wozu Zeit und Geld investieren? So wurden beeindruckende Gebäude nicht wieder aufgebaut, statt dessen Wohnraum geschaffen für die vielen obdachlosen Menschen. Dabei ging es vermutlich darum, auf wenig Platz viele Menschen schnell unterzubringen. So werden Fehler gemacht, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Kaliningrad ist eine saubere Stadt. Man kann unbedarft spazieren gehen. In Berlin oder Paris zum Beispiel, würde ich mich das nicht getrauen. Zu groß wäre die Angst, in stinkende Häufchen zu treten. Hier sind viele Autos wie in jeder Großstadt unterwegs. Die Luftqualität ist sicher nicht so wie wir Segler sie auf dem offenen Meer lieben. Aber deshalb Kaliningrad als schmutzig und stinkig zu beschreiben, finde ich unverschämt. Es kommt darauf an, wo ich spazieren gehe. Im Hafengelände ist es schmuddelig, wie überall auf der Welt. Leute, hier wird gearbeitet! In der Stadt gibt es saubere Straßen, Plätze und Parks. Alleine sich hier zurecht zu finden ist schwierig. Wir suchten eine Touristeninformation, wurden jedoch nicht fündig. Im Reiseführer entdeckten wir TIC, hörte sich nach einer Art Auskunft an. Die erste gab es nicht oder war geschlossen. Gestern war Nationalfeiertag, es war insgesamt ziemlich ruhig in der Stadt. Der zweite TIC ist im Hotel Kaliningrad untergebracht, war auch schon geschlossen. Dafür half uns eine freundliche, junge Frau an der Rezeption. Und wir fanden Vitali. Er ist Taxifahrer und Fremdenführer. Er bot uns an, uns mit dem Auto durch die Stadt zu fahren. Vitali spricht perfekt deutsch, er hätte das von den deutschen Touristen gelernt. Heute morgen um 10 Uhr ging`s los. Zuerst führte uns Vitali zum Bunker von General Lasch nahe der Immanuel-Kant-Universität. Sehr anschaulich erfährt man viel über das Leben in den letzten beiden Kriegsjahren – die schrecklichen Kämpfe um Stadtteile, die vielen Tote und Verletzte auf deutscher sowie russischer Seite, das entsetzliche Verbot von Berlin zu kapitulieren, lieber zu sterben, die völlige Zerstörung der Stadt, die Flucht, andererseits der Mut von General Lasch, die Kapitulation zu unterschreiben und somit Leben zu retten. Seine Familie wurde dafür im April 1945 in Berlin verhaftet. Ein gemaltes Bild hat mich besonders beeindruckt, zwei Gräber, in denen Iwan und Fritz ihre letzte Ruhe nebeneinander gefunden haben. Traurig und unnötig. Danach ging es weiter in die Gegenwart. Wir besuchten den wunderschönen Südbahnhof, der 1929 eingeweiht wurde und mit seinen Spitzbogenfenstern im Giebel der Eingangshalle ein besonderes Bild abgibt. Und er wurde aus Backsteinen gebaut. Von hier aus gehen Züge nach Moskau, Berlin und ins Kaliningrader Gebiet. Nun fuhren wir zu den Stadttoren. Das Brandenburger Tor war unsere erste Station. Es folgte das Friedländer Tor, wir besuchten darin ein Museum in dem Haushaltsgegenstände, Möbel, Klaviere und Dinge ausgestellt wurden, die die flüchtenden Deutsche nicht mehr mitnehmen konnten. Eine Schulklasse war eifrig damit beschäftigt, sich Notizen zu machen. Sie wirkten sehr interessiert. Das letzte Tor, das wir besuchten, ist das Rossgärter Tor. In den alten Gemäuern ist ein sehr stilvolles Restaurant untergebracht, mit edlen Holzmöbeln, noch edlerer Tischwäsche und umso edlerem Geschirr, Besteck und Gläsern. Wir hatten alle den Eindruck, dass Vitali gern gehabt hätte, von uns dort zum Essen eingeladen zu werden. Das hätte unseren Rahmen eindeutig gesprengt. Nicht alle Deutsche sind so reich, dass das für sie der gewohnte Rahmen zum Essen gehen ist. Jeder hat sein Bild von anderen Völkern. Wir fuhren noch eine halbe Stunde durch Kaliningrad. Es gibt viele renovierungsbedürfige Häuser. Die Fassaden gehörten gerichtet, zum Teil wurden neue Fenster eingebaut, das gibt gleich einen anderen Eindruck. Wobei die meisten Kaliningrader, vor allem die Kaliningraderinnen sehr gepflegt aussehen und sich zum Teil sehr schick kleiden. Ab und zu laufen arme Frauen bettelnd durch die Straßen. Zu ihnen meinte Vitali, das wären Frauen, die schon als kleine Mädchen gebettelt und ihr Leben lang nichts Anderes gemacht hätten. Er ist der Meinung, wenn man arbeiten wollte, würde man auch Arbeit finden. Kommt uns das bekannt vor? Um 14 Uhr endete die Fahrt. Wir bezahlten Vitali für vier Stunden 60 Euro. (Er wollte Euro). Zum Abschluss besuchten wir den Kaliningrader Dom. Er gehört keiner Kirche mehr, er wurde von einer weltlichen Einrichtung übernommen, (von welcher habe ich leider vergessen9). Wir mussten umgerechnet ungefähr fünf Euro pro Person Eintritt bezahlen, mit Sicherheit ein Touristenpreis. Wie gesagt, es ist keine kirchliche Einrichtung mehr. In ihm werden Orgelkonzerte gegeben. Sehenswert ist er. Von außen Backsteingotik, im Inneren hell und luftig, mit einer beeindruckenden Orgel. Der Altar ist mit Tüchern verhängt, beim Anschauen wurde ich von einem Mann weggescheucht, nicht erlaubt. Gegen 17 Uhr waren wir wieder auf der Snow Goose. Morgen treten wir den langen Weg nach Klaipeda an. Zum Hafen: Laut Aussage von Valerie von der privaten Marina Fishboat ist hier die einzige Möglichkeit, in Kaliningrad anzulegen. Am Stadtpier ist das wohl theoretisch möglich, nur käme man nicht unter der kombinierte Eisenbahn-, Autobrücke durch. Wir glauben ihm das ohne Zweifel. Weiterhin theoretisch könnte man besagte Brücke hochziehen, nur praktisch macht das keiner. Hier liegen wir im Industriehafen, haben ein interessantes Panorama, es wird gearbeitet! Am Sonntag, in den späten Abendstunden – Ich glaube, in Deutschland wird weit weniger getan. Wir haben hier Strom, Wasser und nur ein Dixie-Häuschen. Der Strom- und Wasseranschluß ist allerdings 70m entfernt. Die Verständigung ist mäßig, selten trifft man jemand, der Englisch oder wie Vitali Deutsch spricht. Das macht die Sache etwas schwerfällig, jedoch auch spannend. Jetzt schauen wir mal, wie die Ausreise abläuft. Vielleicht erleben wir auch so eine Horrorstory mit zweistündiger Durchsuchung und durchgeladener Kalaschnikov;-).

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