Saaremaa, estländische Insel

28.06. 12 Uhr
Wir sind unterwegs nach Ruhnu, auf die nächste estländische Insel. Ich schreibe und das ist ein bisschen traurig – kein Wind. Es ist so ruhig auf dem Meer, ich fühle mich wie auf einem großen Teich. Umso lauter ist es im Inneren des Bootes, der Motor dröhnt mir in den Ohren.
Wir haben zwei wunderbare Tage erlebt. Saaremaa, schon der Name klingt wie Musik. Die Insel liegt westlich von Estland, im Süden ist Lettland, im Norden Finnland. Sie ist 2673 qkm groß und hat 35 900 Einwohner. Ruhnu dagegen ist 24 qkm groß.
Gestern waren wir mit einem Mietauto unterwegs. (Segeln ist schöner als Autofahren). Unser erstes Ziel war der Krater von Kaali, er entstand durch einen Meteoriteneinschlag. Er hat einen Durchmesser von 110 Metern, ist 16 Meter tief, der Aufprall schuf einen 3-7 Meter hohen Wall. Der Krater ist mit Grundwasser gefüllt. Eine wahre Flut von Meteoriten brach damals über das Gebiet herein. Es gibt noch acht kleinere Krater zwischen 12 und 40 Metern Durchmesser , bei einer Tiefe von 1-4 Metern. Das war vor ca. 4000 – 7000 v.Chr. Die Erde muss damals gebebt haben, ein flammendes Inferno mit einer zerstörerischen Hitze. Heute ist es ein idyllisches Plätzchen. Laubbäume spenden Schatten rund um den kleinen See, die Sonne malt Muster aufs Wasser, die Vögel trällern, es ist angenehm kühl.

Anschließend fuhren wir weiter nach Pöide zur Marien-Wehrkirche aus dem 13. Jh. Leider ist sie in einem schlechten Zustand. Während der Zeit als Sowjetrepublik waren die Russen gegen eine Benutzung. So verfiel diese große Kirche vor allem im Innenraum. Die starken Mauern stehen noch. Vor ein paar Jahrhunderten versteckten sich Deutsche aus dem Gebiet um Pöide in dieser Kirche vor den Esten. Ihnen wurde zugesichert, dass kein Mensch durch ein Schwert sterben würde, wenn sie die Kirche verlassen. Als sie aus der Kirche traten, wurden sie mit Steinen getötet. Makaber! Was hatten die Deutschen nur getan, um einen so großen Hass hervor zu rufen? Beachtlich ist der offene Umgang der Esten mit ihrer Geschichte.

Weiter führte unser Weg zu den Windmühlen nach Angla. Völlig frei darf man auf den fünf Bockmühlen herum klettern. In Deutschland kann ich mir das nicht vorstellen, dort wäre alles wegen der Sicherheit verboten, der Spaß dabei auch. Die Windmühlen sind touristisch erschlossen, es gibt was zu essen!

Die Steilküste von Saaremaa muss man gesehen haben. Die höchste Klippe auf Saaremaa fällt 21,3 m(!) fast senkrecht ins Meer. Oberhalb befindet sich ein urwüchsiger, stiller Wald – zum langen Verweilen schön.

Doch nun folgte der absolute Höhepunkt des Tages. Wir fuhren zu den Quellen von Odalätsi. Diese liegen in einem Sumpfgebiet. Der Volksmund erzählt, dass, wer sich mit dem Wasser der Quellen das Gesicht wäscht, ewig jung bleibt. Nun ratet mal, was wir getan haben. Ich bitte um Antwort von denjenigen, die das nicht getan hätten.

Zum Abschluss des Tages ging es weiter zur Halbinsel Harilaid im Nordwesten von Saaremaa. Wir wollten den Leuchtturm Kiipsaare sehen. Dieser wird auch der Turm von Pisa von Saaremaa genannt. Durch die Abtragung des Meeres geriet er an die Wasserlinie. Er neigte sich auf die Seite. Nach etwa zehn Jahren richtete sich der Turm während eines starken Sturms wieder auf – kaum zu glauben. Heute steht er 20-30 Meter weit draußen im Wasser. Er ist schon lange aufgegeben worden. Vom Parkplatz aus war das ein Spaziergang von hin und zurück zwei Stunden. Danach waren wir völlig platt und fuhren zu unserem schwimmenden Zuhause zurück.

Nun ist es 13.30, es ist immer noch traurig – kein Wind. Der Motor röhrt mir dermaßen in den Ohren, dass ich jetzt dringend an die frische Luft muss. Liebe Grüße aus Estland!

16.00 Uhr
Leute, es ist nicht zu fassen! Wir liegen im Bikini, also ich, und kurzen Hosen, Walter, im Cockpit und lassen uns vom Motor und vom Autopiloten nach Ruhnu fahren. Wir sind einfach nur faul. In einem Akt der Verzweiflung zogen wir um 14.00 Uhr den Parasailor hoch. Immerhin hatten wir sieben Knoten Windgeschwindigkeit! Wir hatten das Segel gerade am Spifall oben, als Walter seine Nase in den Wind richten wollte, er ein verdutztes Gesicht machte und die Frage des Tages stellte: „Wo ist der Wind?“ Antwort: „Eingeschlafen!“ Sage und schreibe 0 kn, ich wiederhole – 0 kn, zeigte der Windmesser an. Hoffnungsvoll fragte ich: „Ist der kaputt?“ „Schau dich doch um,“ meinte mein lieber Gatte. Um uns herum lag das Meer wie silbergraue, glänzende Seide, die Wolken spiegelten sich darin, Ruhe umgab uns, bis auf das leise Plätschern des Wassers gegen die Bordwand, die Snow Goose wiegte uns sanft, Stille – windstill – 0 Knoten, super! Heute passt der Spruch, mit Wind kann jeder segeln, aber ohne?
Grüße aus dem Urlaub!

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