Als wir Lounaranna erreichten, war die Frage nicht mehr, ob es hier einen Geldautomaten gibt, sondern wo steht einer? In Kihnu kamen wir gut zurecht mit der Aktion, kleine Wasserflaschen in Läden zu kaufen und auf Kreditkarte mehr Geld heraus zu bekommen. Das Spiel ist jedoch aufwendig und nicht sehr ergiebig.
Walter ging nach dem Anlegen zum Hafenmeister, um uns anzumelden und um nach einem Bankomaten zu fragen. Kurze Zeit später kam er mit verwundertem Blick zurück, in der rechten Hand hielt er zwei fünfzig Euroscheine. „Gibt es hier im Hafen einen Geldautomaten?“ Ich schaute mich verwundert um. Von den Anlegern bis zu den Hafengebäuden verlief ein breiter Schotterweg auf einem Damm, von Steinen und Schilfgras umgeben, rechts und links daneben war die Ostsee – sehr idyllisch. Am Ende des Wegs stand ein kleiner Turm, weiter hinten ein längliches, einstöckiges Gebäude, ein Parkplatz mit wenigen Autos. Dahinter war dichter Wald, soweit das Auge reichte. Merkwürdig! „Die hundert Euro hat mir der Hafenmeister gegeben.“ „Hä?“ „Er meinte, zum nächsten Ort sind es neun Kilometer. Das wäre viel zu weit. Ich soll die hundert Euro einfach überweisen. No problem.“ „Hä??“ Da gibt jemand Walter so viel Geld in die Hand, obwohl er ihn zum ersten Mal sieht?! Wir waren ein weiteres Mal sprachlos. Ich wünsche dem netten Hafenmeister, dass sein Vertrauen zu den Menschen niemals enttäuscht wird.
Wir verbrachten in Lounaranna einen Hafentag, leider nur um sechs Mal die vorhandene Waschmaschine zu füllen und zu leeren und um das Boot zu putzen. Am Abend aßen wir im Garten mit der Hafenmeisterfamilie. Die Unterhaltung fand vorwiegend in Englisch und Deutsch statt. Wir haben viel über die Zeit Estlands in der UdSSR erfahren. Wie prägend diese Zeit für die Menschen war, können wir uns kaum vorstellen. Da ist immer noch Angst vor dem großen Nachbarn zu spüren, EU – Mitglied hin oder her. Wenn man bedenkt, dass der Hafen damals verbotene Zone war. Nur Befugte durften das Gebiet betreten. Es gab ein paar Fischer, die wurden streng kontrolliert. Sie durften maximal 40 Liter Diesel oder Benzin mit auf`s Meer nehmen. Und wir genießen diesen romantischen Ort heute völlig unbedarft, als ob nie andere Zeiten geherrscht hätten. Ich erinnere mich aber auch an einen ehemaligen Angehörigen der Volksarmee der damaligen DDR. Er sagte, er wisse nicht, was er heute für einen Dienstgrad hätte. Aber eines weiß er sicher, heute wäre er mit den Nerven am Ende. Das muss ein kaum auszuhaltender Stress gewesen sein. Der Mann wirkte heute noch, als ob er unter großer Anspannung stehen würde.
Einmal mehr habe ich auf Muhu sehr bedauert, dass ich die Sprache nicht beherrsche. Bei solchen Themen bin ich mit meinem kläglichen Englisch rasch überfordert.
Die hundert Euro hat Anja gleich für uns überwiesen. Herzlichen Dank, meine liebste Anja!
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