23.06.2012 – Wir sind auf den Färöer- Inseln!

Heute Nacht, 0.15 Uhr, nach 38 Stunden und 235 Seemeilen haben wir in Torshavn, der Hauptstadt, angelegt. Wir sind sehr glücklich. Die Überfahrt war erträglich, im Gegensatz zu der von Norwegen zu den Shetlands. Unser Zeitfenster war gut gewählt. Meistens segelten wir mit halbem bis raumen Wind sehr komfortabel. Die Wellen waren erträglich in ihrer Höhe. Mein Magen fühlte sich zwar oft flau an, jedoch rebellierte er nicht so wie bei der letzten Überfahrt.

Kurz nach der Ausfahrt aus Lerwick setzten wir die Segel und fuhren mit Am Wind Kurs nach Süden um Mainland herum. Uns würde ein Kanal zwischen der Hauptstadt und Scalloway gut gefallen, würden wir doch rund 20 Seemeilen sparen. Die Shetlander haben dazu sicher keine Lust, leben sie doch schon auf vielen Inseln. Warum sollten sie sich noch mehr schaffen?

Wir schauten uns nochmal den Jarlshof und den Sumburgh Head von Seeseite aus an und nahmen Abschied von den Shetland Inseln. Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.

Gegen 14 Uhr umrundeten wir Mainlands Südspitze und nahmen Kurs auf die Färöer Inseln. Mit Ostwind, 4 Bft und dem Parasailor rauschte die Snow Goose durchs Wasser, es war die pure Freude. Gegen Abend frischte der Wind auf, in Böen über 20 Knoten, wir bargen den PS. Mit der Genua muss man sich nicht so konzentrieren. Später drehte der Wind auf Nordost, nahm zu auf 5 -6 Bft. Wir refften. Dadurch nahmen wir Geschwindigkeit weg, die Fahrt war jedoch behaglicher. Grundsatzfrage: schneller und ruppiger oder langsamer und bequemer? Das muss jeder selbst entscheiden. Mein Magen dankte Skipper Walter für seine Entscheidung.

Die Nacht verlief unspektakulär. Walter musste mal um einen Kabelleger herum schippern. Freitagmorgen nahmen wir Kurs auf eine Ölplattform, höflich umsegelten wir sie.

Unser Jürgen hat wieder beste Arbeit geleistet. Vom Segelsetzen bis Segelbergen hat er vertrauensvoll seinen Dienst getan. Jede bissige Böe, jede wuchtige Welle hat er zuverlässig ausgesteuert. Ohne ihn wäre das Segeln sehr anstrengend. Ich möchte richtig stellen, Jürgen ist unsere Windssteueranlage. Manche Segler geben ihren Geräten Namen, warum auch immer. Wir sind doch keine Sklaventreiber und stellen einen Menschen Tagelang ans Ruder!!!

Freitag, gegen 11 Uhr sahen wir eine Herde mit Walen. War das schön! Zuerst sahen wir die Rückenflossen aus dem Wasser auftauchen, danach die schwarzen Leiber, ungefähr 3 – 6 Meter lang. Diese Wale hatten Köpfe, die aussahen wie rechteckige Kästen, es schien, als ob die Stirn bis zum Kinn reichte. Wir vermuten, dass es Grindwale waren. Es war ein Genuss, diesen edlen Tieren zuzuschauen. Elegant schwammen sie in gleichmäßigen Bögen weit ausholend durch das Meer, ihrem Element. Zwei von ihnen tauchten synchron ein und aus. Wir hätten stundenlang zuschauen können. Leider kreuzten sich unsere Wege, bald waren sie in der Ferne verschwunden.

Freitagabend sichteten wir endlich Land am diesigen Horizont, die Färöer Inseln. Nölsoy, eine der Inseln, erhob sich groß und mächtig aus der See. Wie eine abwehrende Wand richtete sie sich vor uns auf. Die Sonne ging hinter der Insel unter, verschwenderisch ihr orange – goldenes Licht über Himmel und Meer ausschüttend. Dieser Anblick ist zeitlos, so müssen ihn die frühesten Besucher auch wahrgenommen haben, wenn sie aus der gleichen Richtung kamen. Egal, ob irische Mönche im 9. Jh., Wikinger, hanseatische Kaufleute oder gar englische, irische, französische und sogar türkische Piraten im 16. Jh., sie alle wurden von diesem grandiosen Anblick empfangen. Kaum vorstellbar, dass man hinter diesem beeindruckenden Panorama Zivilisation findet, wie es im 21. Jh. üblich ist.

Wir umrundeten Nölsoy, die Strömung nahm uns zügig mit, bald steuerten wir den Hafen von Torshavn an. Hier liegen wir geschützt durch die umliegenden Inseln, windstill und in ruhigem Gewässer.

Natürlich waren wir erleichtert, unser Ziel erreicht zu haben. So eine lange Strecke ist anstrengend. Der Schlaf ist unruhig, wird immer wieder gestört vom Hämmern der Wellen, dem Brausen des Windes und den vielfachen Geräuschen, die das an Bord eines Bootes auslösen. Man ist den Naturgewalten ausgeliefert, muss Windverhältnisse annehmen, wie sie sind. Hat nicht in der Hand, wie lange die Reise tatsächlich dauert. Und doch, liegt man im Hafen, hat man das erreicht, was man sich vorgenommen hat, stellt sich ein Glücksgefühl ein und ein bisschen Stolz dazu. Das ist wie bei einer Geburt, ist das Kind auf der Welt, ist sofort jede Anstrengung und Mühe vergessen.

Eine kuriose Situation erlebten wir in dieser Nacht. Gegen 0.15 Uhr, wir waren mit dem Anlegen beschäftigt, kam ein smarter, junger Mann im Anzug und mit Aktentasche den Schwimmsteg entlang. Ich belegte auf dem Vorschiff eine Klampe mit einer Leine und dachte mir, der gehört sicher zu keiner Crew. Tat er auch nicht. Er trat auf mich zu und meinte freundlich auf englisch: „Ich komme vom Zoll. Woher kommen sie?“ Die Snow Goose war noch nicht richtig festgemacht, da saß Walter mit dem Zöllner im Salon, räumte gut verpackte Weinflaschen aus und zählte sie. Der gute Mann war überaus liebenswürdig. Bald war auch diese Angelegenheit erledigt und wir konnten endlich schlafen gehen.

 

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