Verloren in Island

Die Fahrt mit dem Bus hat Spaß gemacht. Sternaline fährt auf der Ringstraße Nr. 1 und hält, außer in Städten, auch an sehenswerten Orten. So hatte ich die Gelegenheit, kleine Eisberge im Jökulsarlon, einem idyllischen Gletschersee, zu sehen, bezaubernde Wasserfälle, schroffe Lavafelsen…


Das Leben an Land ist stressig. Plötzlich fuhr mir abends im Niemandsland die Fähre vor der Nase davon.
Das geschah so – ich verließ den Bus in Hvolsvöllur, um mit einem anderen Bus etwa 20 km zur Fähre zu den Westmänner – Inseln zu fahren. Ich fragte im Bus den jungen Kassierer, wo mein nächster Bus abfahren würde. Er sprach sehr gut Englisch und meinte, da wo Sternaline hält. Der Bus käme um 18 Uhr. Um 19 Uhr fuhr die Fähre. Wunderbar, gut aufeinander abgestimmt. Die Bushaltestelle lag direkt an einer großen Tankstelle mit Schnellimbiss. Dort ließ ich mir eine leckere Gemüsesuppe schmecken. Entweder, weil ich sehr penibel bin oder eine Vorahnung hatte, fragte ich eine junge Bedienung, wo der Bus zur Fähre abfahren würde. Sie sprach nicht so gut Englisch, bemühte sich jedoch sehr und fragte ihre Kolleginnen, kam dann mit der gleichen Information zurück, die mir der Kassierer gegeben hatte.
10 Minuten vor 18 Uhr stand ich parat. Auf dem Platz standen kleinere Busse mit Reisegruppen. In einen davon wurden jede Menge Lebensmittel eingepackt. Etwas verunsichert schaute ich, ob nicht einer der Busse derjenige zur Fähre sein könnte. Das sah aber nicht so aus.
Es wurde 18 Uhr, kein Bus in Sicht. 18.05 Uhr, 18.10 Uhr. Die Zeit verrann. Deutsche Pünktlichkeit fließt durch meine Adern. Was tun? Zurück zum Personal der Tankstelle? Die Verständigung war so schon schwierig. 18.15 Uhr, Panik machte sich in mir breit. Eine halbe Stunde braucht der Bus. Ich betrat das Gebäude, fand die nette junge Frau, die so bemüht war, und fragte erneut nach dem Bus zur Fähre. Eine andere Kollegin kam dazu und meinte, der Bus hätte manchmal Verspätung, das wäre schon in Ordnung. Aha.
Mein Herzschlag erhöhte sich weiter und ich verließ das Gebäude. Da stimmt was nicht, sagte mir mein Gefühl. Erneut betrat ich das Gebäude und meinte, selbst wenn der Bus noch käme, wäre das doch sehr knapp. Noch eine Mitarbeiterin kam dazu, ließ sich auf Isländisch erklären, um was es geht. Sie sprach die vernichtenden Worte:“Der Bus ist pünktlich abgefahren. Auf der anderen Seite des Gebäudes.“ Mit Sicherheit wurde ich blass. Ich stand irgendwo im Süden Islands in einer kleinen Stadt, es war Abend und ich hatte kein Zimmer zum Übernachten. Sollte ich in Tränen ausbrechen?
Nein, ich brauchte ein Taxi. Es war kurz vor 18.30 Uhr. Eine der netten Mitarbeiterinnen telefonierte. Ich sagte:“Ich muss mit der Fähre um 19 Uhr zu den Westmänner – Inseln fahren.“ „Das Taxi kommt,“ war die Antwort. Ich stand vor der Tür und schaute angestrengt nach allen Seiten. Auf meine Frage, wann das Taxi kommen würde, meinte eine Frau:“ Es kommt von außerhalb und braucht ungefähr 10 Minuten.“ Das klappt doch nie und nimmer, dachte ich. Ich wusste, dass beim Fähranleger absolut nichts drum herum ist, nur Einöde. Sollte ich mich dahin fahren lassen? 20 Minuten vor 19 Uhr kam das Taxi. Der freundliche, ältere Fahrer sprach kein Englisch. An meiner verzweifelten Miene erkannte er trotzdem, in welchen Nöten ich steckte. Er gab Gas. In riskanter Weise fuhr er über die Straßen, obwohl Geschwindigkeitsübertretungen in Island sehr teuer sind. Ich saß wie auf Kohlen. Alle paar Sekunden schaute ich auf die Uhr. Auch der Fahrer wurde nervös. Immer wieder lächelten wir uns ermutigend zu. Ich dachte, geb Gas!
Die Fähre kam in Sicht. Erleichtert schauten wir uns an. „Good, good,“ sagte der Mann. „Yes?“ fragte ich zwischen Hoffen und Bangen. Ich bezahlte während der Fahrt, sprang aus dem Auto und rannte ins Gebäude an den Schalter. „One ticket, please,“ rief ich atemlos. „I am sorry, you`re too late,“ war die Antwort der Angestellten. „Nein,“ rief ich weiter auf Englisch, „ich muss da mit.“ Ich lief hinter die Absperrung, der Übergang war aber eine Treppe höher, keine Chance für mich, die Fähre zu betreten. Die junge Frau am Schalter meinte:“Das sind nicht meine Anweisungen.“ Telefonierte aber mit einem Mitarbeiter auf der Fähre. „Nichts zu machen,“ voller Mitleid schaute sie mich an. Ich fiel zusammen. „Nehmen sie die 22 Uhr Fähre.“ „Das Problem ist, dass ich kein Zimmer habe. Wie kann ich ein Zimmer finden, wenn ich erst um 22.30 Uhr in Heimaey ankomme?“ Und mich dort überhaupt nicht auskenne, fügte ich in Gedanken dazu. „Das ist kein Problem, ich telefoniere für sie.“ Dankbar schaute ich sie an. Ich entschuldigte mich mehrmals für mein ungehöriges Verhalten.
Am Ende hatte ich ein Zimmer und einen Stadtplan in der Hand. Gegen 23.30 Uhr lag ich völlig erschöpft in einem bequemen Bett in einem Gästehaus und schlief rasch ein.

Vestmannaeyjar, die Westmänner-Inseln, 11.07. – 15.07.

Zu dieser Inselgruppe gehören 15 Inseln, außerdem etwa 30 Schären und Klippen. Sie liegen zwischen 10 und 30 km von Islands Südküste entfernt. Eine Insel ist bewohnt – Heimaey. Sie ist 6 km lang und höchstens 3 km breit. Hier leben etwa 4000 Menschen und es gibt jede Menge Autos.

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