Den Tag verbrachte ich damit, den hübschen, belebten Ort anzuschauen, zu lesen und auf meine Männer zu warten. Als am Abend die Snow Goose mit den Beiden die bildschöne Hafeneinfahrt von Heimaey herein gefahren kam, hüpfte mein Herz vor Freude. Schön, wieder an Bord zu sein!
Zu den Westmännern gehören 15 Inseln, außerdem etwa 30 Schären und Klippen. Sie liegen zwischen 10 und 30 km von Islands Südküste entfernt. Eine Insel ist bewohnt – Heimaey. Sie ist 6 km lang und höchstens 3 km breit. Hier leben etwa 4000 Menschen und es gibt jede Menge Autos.
1973 wurden die Bewohner Heimaeys von einem Vulkanausbruch überrascht, der das Bild der Insel veränderte. Nach 5000 Jahren und einem vorangegangenen Erdbeben, dem die Menschen keine besondere Bedeutung gaben, brach der Vulkan Helgafell in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar überraschend aus. Aus einer Erdspalte, beinahe zwei km lang und nur wenige hundert Meter von den Häusern entfernt, quollen gewaltige Lavamassen, die sich mit bis zu 100 m pro Stunde auf das Meer zu bewegten.
Zum Glück waren alle Fischerboote im Hafen. So konnten alle Menschen aufs Festland evakuiert werden. Ein paar Freiwillige blieben zurück. Doch giftige Dämpfe und die Macht der Natur, machten ihnen das Leben schwer.
400 Häuser, ein Drittel der Stadt, wurde unter einer meterdicken Ascheschicht begraben. Durch Asche und Lava vergrößerte sich die Insel um 2,5 Kubikkilometer.
Im `Pompeji des Nordens` kann man Ausgrabungen anschauen. Die meisten Gebäude werden wohl für immer unter der bis zu 100 m dicken Lavaschicht begraben bleiben. Wer will, kann in `Pompeji` beim Ausgraben helfen.
Mit Meerwasser kühlten die Menschen den Lavastrom ab. Hätte er die Hafenzufahrt vollständig verschlossen, wäre die Haupteinnahmequelle der Insel, die Fischerei, zum Erliegen gekommen. Nun ist die Hafeneinfahrt zwar um beinahe 700 m enger, dadurch jedoch noch geschützter. Er gilt heute als einer der sichersten Häfen des Landes.
Auch das ist eine Besonderheit Islands. Die Menschen leben mit den Naturkatastrophen und fangen immer wieder von Neuem an. Beispiellos ist die Hilfsbereitschaft der Isländer. Nach Vulkanausbrüchen kommen viele und helfen beim Aufräumen.
Wenn man vom Meer auf die Westmänner – Inseln zufährt, verzaubert einen deren Anblick. Scheinbar wahllos breiten sich die felsigen Inseln, Schären und Klippen aus, Wind und Wasser haben – wie Bildhauer – wunderschöne Formen gebildet, die vorderen zeichnen sich klar gegen den Himmel ab, die hinteren lösen sich eine nach der anderen langsam im Dunst auf. Die Meeresbrandung schlägt unaufhörlich gegen die Felsen, Vogelgeschrei mischt sich mit dem Tosen der See. Kühler Wind bläst einem die Backen rot, die Luft ist klar, sie lädt zum tiefen Durchatmen ein. Die Westmänner – Inseln, ein kleines Wunder, aus den Tiefen des Nordatlantik geboren. Diesen Anblick möchte man für immer festhalten.
Hier gibt es einiges – außer Pompeyj – zum Anschauen. Nahe am Hafen liegt die Befestigungsanlage Skansinn. Sie wurde 1630 nach einem blutigen Piratenüberfall gebaut. 1627 fielen algerische Piraten auf der Insel ein. Damals lebten hier rund 500 Menschen. Die Piraten töteten 36, 242 verschleppten sie und verkauften sie auf Sklavenmärkten. Teile von Skansinn liegen heute unter der Lavamasse. Im Heimatmuseum wird anhand eines großen Comics ziemlich deftig die Geschichte nachgestellt.
Ein älterer Mitarbeiter erzählte uns, wie er in der Nacht des Vulkanausbruchs von seinem Vater geweckt worden war und wie sie evakuiert worden sind. Außerdem erfährt man in anschaulicher Form viel über das Leben der Insulaner in früheren Zeiten.
Im Aquarium sieht man die seltsamsten Fische aus der Tiefe des Atlantiks und viele ausgestopfte heimische Vögel.
Am 15.07 verließen wir die Westmänner – Inseln. Kaum zu glauben, das war mal wieder ein Segeltag wie schon lange nicht mehr. Das heißt, keine Nachtfahrt, morgens ablegen, abends ankommen. Eine frische Brise brachte uns zügig nach Porlakshöfn auf das Festland. Nach nur 7 Stunden waren wir im Fischerhafen.
Unterwegs hatten wir ein traumhaftes Erlebnis. Nachdem wir eine gute Stunde unterwegs waren, rief Walter plötzlich:“Ein Wal!“. Alarmiert sprangen Michael und ich aus unserer entspannten Lage im Cockpit auf. Tatsächlich! Ein Orca kreuzte unseren Weg. Das Prachtexemplar tauchte auf und ab. Mit einem Mal sprang der Teufelskerl weit aus dem Wasser und streckte seinen mächtigen, weißen Bauch der Sonne entgegen. Wir mussten alle lachen – das war die pure Lust an der Bewegung.