25.08.-26.08.2012 – Nachtfahrt nach Granton/Edinburgh

Die gute Nachricht vorneweg – Walter`s Rippe scheint zu heilen, er ist auf dem Weg der Besserung. Man merkt es daran, dass er nicht mehr so verkrampft lacht wie am Anfang seines Missgeschicks. An dieser Stelle einen herzlichen Gruß an Anja – du bist herrlich! Ich lache immer noch über dich!

 

Die Nachtfahrt nach Edinburgh war spannend. Endlich hatten wir mal wieder reichlich Wind. Anfangs sah das nicht danach aus. Wir legten in Peterhead um 10.30 Uhr ab, hatten allerdings noch über einen Knoten Strömung gegen uns. Idealerweise hätten wir später zu Niedrigwasser gegen 13.30 Uhr ablegen sollen, dazu hat uns auch der freundliche Hafenmeister geraten. Die Strömung ginge dann nach Süden, in unsere Fahrtrichtung. Nur hatten wir das Problem mit dem Hafen in Granton/Edinburgh. Dieser ist bei Niedrigwasser flach wie eine Badewanne, am Gästesteg ist er immerhin mit zwei Metern angegeben. Nur Platz zum Manövrieren hat man kaum. Erlebt haben wir ihn später bei Springzeit mit 0,00 Metern! Die Snow Goose liegt dann in weichem Schlick eingebettet.

Deshalb legten wir die Abfahrtzeit so fest, dass wir zu Hochwasser in Granton sein konnten.

Bei dieser Gegenströmung kamen wir nur langsam vorwärts. Der Wind kam aus nördlichen Richtungen mit 3 Bft, also raumer Kurs für uns. Motor an. Zwischendurch regnete es auch noch, das war bis dahin nicht unser schönster Segeltag. Das sollte sich bald ändern.

Die Strömung kippte und nahm uns mit. Nach 18 Uhr konnten wir endlich den Motor ausmachen. Es hörte auf zu regnen. Den Parasailor setzten wir nicht. Das war uns zu gefährlich, Walter war durch seine Rippenprellung nicht voll einsatzfähig.

Walter legte sich gegen 19 Uhr hin. Gelegentlich hatten wir eine Strömung von über 1,5 kn mit uns. Der Wind legte zu auf 4-5 Bft. Die Snow Goose rauschte durch`s Wasser. Es wurde Nacht. Die Wellen wurden immer höher. Ich hatte das Ruder selbst übernommen, mit Jürgen`s Kurs war ich nicht einverstanden. Ich konnte das aber auch nicht besser. In der tiefen Dunkelheit sah ich die Wellen nicht kommen. Ich hätte anluven, das heißt – die Wellen anschneiden müssen, doch mehr als ein zunehmendes Rauschen nahm ich nicht wahr. Bei jeder größeren Welle wurden wir weit von unserer Kurslinie nach steuerbord versetzt. Die Genua fiel ein. Ich musste gegenlenken. Mit einem lauten Knall füllte der Wind das Segel wieder. Das Boot wurde weit zur Luvseite an Backbord abgetrieben. Der Himmel war mit dicken Wolken bedeckt, ich hatte keinen Fixpunkt, um einen geraden Kurs zu halten. Das war eine anstrengende Arbeit. Oft dachte ich, ohne Plotter wäre ich hilflos verloren, ich hätte keine Ahnung, wo wir wären.

Gegen 22 Uhr legte der Wind auf 5-6 Bft zu. Der Tanz auf der See wurde noch stürmischer. Walter wurde das unter Deck zu unruhig. Er kam ins Cockpit und fällte die einzig richtige Entscheidung – reffen und zwar gründlich. Sofort wurde die Snow Goose ruhiger, ließ sich wieder leichter lenken, segelte freilich nicht mehr in diesem hohen Tempo, allerdings viel bequemer. Wir wären ohnehin viel zu früh in Granton angekommen.

In der Nacht erreichte der Wind in Böen 6-7 Bft. Trotz stark gereffter Genua segelten wir dabei mit über 6 kn.

Am frühen Morgen ließ der Wind wieder nach. Um 4.00 Uhr blies er mit 5 Bft, um 8.00 Uhr hatten wir 4 Bft.

Kurz nach 10 Uhr legten wir, wie geplant, in Granton an.

Eine Geschichte beschäftigte uns nachts von 2.00 bis 4.30 Uhr. In Oban hatten wir einen sehr netten Einhandsegler kennen gelernt. Ihn trafen wir immer wieder im Kaledonischen Kanal und in Peterhead. Einmal machte er ein Foto von uns mit den Worten: “Ich möchte meiner Frau die crazy people zeigen, die nach Island segeln.“

Er segelte eine halbe Stunde vor uns los. Sein Ziel war ein Hafen am Eingang zum Firth of Forth, der nach Edinburgh führt. Er wollte im Morgengrauen dort sein. Lange sahen wir ihn in der Ferne direkt vor uns fahren. Als wir eine Zeitlang versuchten zu segeln, verloren wir ihn aus den Augen.

Gegen 2.00 Uhr hörten wir die Küstenwache seinen Bootsnamen nennen. Ihn hörten wir die ganze Zeit nicht. Anscheinend wusste er nicht, wo er sich befand und wo die Einfahrt zum Hafen wäre. Wir wurden hellhörig. Er hatte mal erzählt, dass er schon viele Jahre ohne Plotter segelte, er wäre das gewöhnt. Er hätte in seiner Navi – Ecke im Bootsinneren einen GPS-Empfänger.

Aus irgendeinem Grund blieben die Küstenwache und der Segler auf Kanal 16. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise sucht man sich einen Arbeitskanal, der 16er wird für Notfälle freigehalten.

Wie wir das verstanden haben, konnte der Segler seine Position nicht genau bestimmen. Die Küstenwache müsste ihn auf ihrem Radarschirm erkennen. Das hörte sich bedenklich und seltsam an.

Dann wurde der Hafenmeister des Hafens mit einbezogen. Die Küstenwache fragte nach Bootslänge und – tiefe. Das ging lange hin und her. Gegen 4.00 Uhr fragte die Küstenwache nach, ob sie richtig verstanden hätte, der Segler wäre jetzt seekrank? Wir hörten sehr besorgt mit.

Am Ende fuhr der Hafenmeister anscheinend aufs Meer hinaus und geleitete den Segler in den sicheren Hafen.

Wir waren sehr erleichtert. Und trotzdem gab uns die Geschichte zu denken.

 

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