Sankt Petersburg


Wow! Wo soll ich anfangen über St. Petersburg zu erzählen? Für mich eine der eindrucksvollsten Städte, die ich bis jetzt gesehen habe.
Die Schöne ist jung, gerade mal 300 Jahre alt. Am 16. Mai 1703 wurde der Grundstein gelegt. Gut geplant von einem Herrscher, der sich auf ewig mit dieser Stadt verbunden hat, Zar Peter, der Große. Ich war vor unserem Besuch der Meinung, Peter, der Erste, wollte sich ein Denkmal schaffen wie König Ludwig mit dem Schloss Neuschwanstein. St. Petersburg ist auf sumpfigem Gebiet auf tausenden Pfählen errichtet worden. Zar Peter wollte jedoch eine Festung gegen die Schweden schaffen. Ein Glück, dass die Schweden keine Lust mehr hatten, so weit im Osten auf Kriegstour zu gehen, Glück für St. Petersburg.
`Prunkvolle Paläste, prächtige in Pastelltönen schimmernde Hausfassaden, geschwungene Brücken, vergoldete Kuppeln und Turmspitzen spiegeln sich in vielen Flüssen und Kanälen`, schreibt Baedecker. Und weiter- `das hat der Millionenstadt häufig den Vergleich mit Amsterdam oder Venedig eingebracht. Doch die Schöne an der Newa bedarf derartige Vergleiche nicht, ihre architektonische Pracht und ihr Charme sind einzigartig`. Treffender kann man St. Petersburg nicht beschreiben.
Die Zaren waren unvorstellbar reich, an Geld oder vielmehr Gold und an Menschen. Die Peter-Paul-Festung ist auf den Knochen von Sklaven, meist schwedischen, erbaut, sagen die St. Petersburger. Können wir uns heute noch vorstellen, mit welcher Ignoranz und Arroganz sich die damaligen Herrscher wahrnahmen? Ich meine damit alle Adligen in allen Ländern in ihrer damaligen Form.
Als wir im Katharinenpalast Richtung Bernsteinzimmer liefen, der Weg war nur Zarin Katharina der Großen vorbehalten, meinte ich zu Tatjana, unserer russischen Reiseleiterin, die Zarin würde sich im Grab umdrehen, wenn sie sehen könnte, wie der Pöbel durch die heiligen Hallen schlendert. Tatjana meinte:“Das hätte sie sich verdient.“
St. Petersburg ist voller Paläste in der Stadt und um die Stadt. Es gibt Sommer- und Winterpaläste, oft Hochzeitsgeschenke für geliebte Zarenkinder, wie, um nur ein Beispiel zu nennen, den Alexanderpalast. Katharina die Große ließ ihn für ihren Lieblingsenkel, den späteren Alexander den Ersten bauen. Das Taurische Palais ließ sie allerdings für einen ihrer Geliebten bauen. Es gibt Paläste von Feldherren, die sich verdient gemacht haben. Und sonstige prachtvoller Häuser von reichen Menschen, die alle so nah wie möglich bei den Herrschern leben wollten. Ich fragte mich oft, wie viele Münder hätte man mit diesem Geld satt machen können? Es geht wohl nicht nur mir so, dass man irgendwann denkt, gut, dass die Zarenzeit vorbei war.
Nur ging es dem Volk unter der Sowjetregierung besser? Russen meinen, nein, aber allen ging es gleich schlecht. Bis auf wenigen etwas gleicheren Kommunisten als wiederum dem gemeinen Volk, denke ich. Und heute?

Ohne Worte


Wir lagen im Central River Yacht Club, umgeben von den protzigsten Motoryachten. Auf dem Hafenparkplatz standen die dicksten Autos, groß und auffällig. Anfangs lächelte ich noch über das infantile Verhalten der Besitzer. Einer möchte besonders auffallen. Eine 40 Meter lange, knallrote Motoryacht lag in unserer Sichtweite. Der Besitzer ließ sich vom eigenen Hubschrauber einfliegen, seine Freunde wohl auch. Das machte jedes Mal einen Höllenlärm. Die Wiese, die eigens auch für andere Hubschrauberbesitzer dafür hergerichtet wurde, lag direkt am Hafen. Wenn das hässliche, rote Ding in den Hafen einfuhr, wurde jedes Mal von einer kleinen Kanone ein Schuss abgefeuert. Ein Fall für den Psychologen, denke ich. Auf anderen Yachten schoben Männer ihre dicken Bäuche auffallend durch die Gegend. An ihren Seiten hatten sie sehr hübsche, sehr blonde und sehr junge Frauen. Unser Sohn Michael meinte dazu, wenigstens sind sie achtzehn Jahre alt. Ok. Das hört sich bestimmt klischeehaft an, war aber leider so. Vitali, ein 29 jähriger Mann, fuhr uns mit Tatjana zusammen durch die Stadt. Ich fragte ihn, ob er verheiratet wäre. Er lachte und meinte, eine Frau wäre zu teuer. Er fährt lieber Motorrad und Auto. Fehlt den russischen Frauen eine Alice Schwarzer?
Gegenüber der Marina lag eine Zeltdisco. Völlig ungeniert ging regelmäßig spätestens um zwölf Uhr der Lärm los. Bis morgens um fünf wummerten die Bässe und hüllten das ganze Gebiet in eine Krachblase ein. Große Häuser stehen in der Nähe. Deren Anwohner haben sich wohl schon oft beklagt. Offiziell ist in Russland Lärm bis 23 Uhr gestattet. Leider gibt es in Russland ein großes inoffizielles Leben. Dort ist Korruption nicht nur eine Möglichkeit, sondern bittere Realität.
In anderen Häfen ist zur Sommerzeit Kinderlachen zu hören, Kinder haben ihren Spaß am, im und auf dem Wasser. Familien genießen ihren Urlaub. Davon war in diesem Hafen nichts zu sehen. Haben die Russen Liebe gegen Geld, Macht und Angst eingetauscht und wenn ja, wann?
Irgendwann war mir im Hafen nicht mehr nach Lachen zumute. Wie wurden wenige Russen in zwanzig Jahren so reich? Anscheinend durch Öl und Gas und durch Betrügereien an den einfachen Menschen. Was braucht man für einen Charakter, um einen derartigen Reichtum, oft illegal erworben, genießen zu können? Andererseits sahen wir an einem Bahnhof Frauen, die versuchten ein paar Beeren in einem 500 Gramm Becher, zwei, drei Gurken und was ein kleiner Garten sonst noch hergibt, zu verkaufen. Damit wollen sie ihre Rente aufbessern. Seit der Wende gibt es Probleme, wer zuständig ist für die Rentenzahlung bei Mischehen. Nach zwanzig Jahren ist das noch nicht geklärt.
Nach einer Woche war es genug. Zeit, weiter zu reisen. Ich will damit nicht sagen, dass es solche Zeitgenossen nur in Russland gibt. Die Welt ist leider voll davon.

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